Warum ich Neugeborene nicht mehr im Studio fotografiere.
Zu sich zu finden ist eine lange Reise.
Es gab eine Zeit, da bin ich zu meinen Familien gefahren, mit meinem Posingbag, Posingbeans, allen möglichen Props, Hintergründen, einem Heizlüfter um die Babys zu fotografieren. Oder ich habe schon tags zuvor unser Zuhause auseinandergenommen um bei uns Fotos machen zu können. Es hat viele Anläufe gebraucht, viele Momente, in denen nichts funktionierte, wie ich es mir vorgestellt habe und viel Selbstreflexion und ich musste mir eingestehen, dass die "traditionelle" Neugeborenen Fotografie nichts für mich ist. Es entspricht einfach nicht meinem "Warum" und wie ich Menschen wahrnehme.
Das Baby führt.
Das bedeutet, dass ich das Baby nicht mehr in irgendwelche Positionen lege, die es selbst so nicht einnehmen kann, um dann Stunden damit zu verbringen, es zu beruhigen, die Finger und den Kopf, die Füße perfekt in Linie zu bringen. Ja, für ihre Portraits lege ich sie auch mal auf ihren Bauch, aber ich posiere sie nicht mehr in der Art, wie klassische Neugeborenen Fotografen es im Studio machen. Keine Schüsseln, Schalen, Betten, Nester, Kartoffelsäcke .... .
MEINE GRÜNDE:
1. Ich finde, Babys sollten nicht über einen langen Zeitraum aus den Armen ihrer Eltern genommen werden. Als meine Kinder auf die Welt kamen, wurden sie mir gleich auf den Bauch gelegt um dieses einzigartige Band zu schaffen...mein Mann hat sie nicht mehr aus dem Arm geben wollen. In der klassischen Neugeborenen Fotografie wird manchmal besprochen, dass man aufpassen muss, dass die Mama nicht in die Nähe kommt, sonst würde das Baby, wenn es die Brust bekommt, die Milch riechen, unruhig werden, Hunger bekommen und dann ist es erst einmal wieder vorbei mit dem entspannten Posing. Es gibt sogar Fotografen, die die Mama bitten den Raum zu verlassen. Und ja, es stimmt tatsächlich, aber es ist eben ein Instinkt, ein sehr wichtiger Instinkt und wie verrückt das eigentlich ist, zu versuchen das zu umschiffen nur um möglichst perfekte Posen zu bekommen. Als ich mir klarmachte, was hier eigentlich nicht stimmt, lag eigentlich alles auf der Hand. Sobald ein Baby unruhig wurde, war mein ursprüngliches Bedürfnis im Bauch immer das, es direkt seiner Mama zu geben, aber gelernt habe ich was anderes, erst mal versuchen, es selbst zu beruhigen.... aber ich habe da so ziemlich komplett gegen meine innere Überzeugung gearbeitet. Als ich mit meinem Sohn ins Krankenhaus musste, als er drei Wochen war, hörte ich ein Baby schreien, das allein auf der Station war und ich, mein Herz, und natürlich meine Hormone wollten sofort zu ihm hin, es in die Arme nehmen und trösten und beruhigen... es ergibt für mich einfach tatsächlich keinen Sinn ein Baby über längere Zeit auf einem Beanbag oder in einem hübschen Eimer haben, weg von seinen Eltern. Jetzt halte ich es so, dass die Babys die meiste Zeit in den Armen ihrer Eltern bleiben. Ihr seht, es war ein langer Weg der Erkenntnis und statt zu stoppen, habe ich einfach immer mehr Dekorationsmaterial gekauft, weil ich dachte, die Leere, die ich bei den Bildern fühle, kann ich nur kompensieren in dem ich sie besser ausstatte. Jetzt habe ich einen vollen Keller, bin ärmer und um so viel reicher.
2. Babys sind wunderschön, so wie sie sind. Wenn Babys sich strecken, räkeln, gähnen, den Rücken runden, wenn man sie für einen kurzen Moment auf den Bauch legt, dass sind alle diese Momente, die ich bei meinen Kindern mit großem Staunen und Entzücken stundenlang betrachten wollte. Das sind die Dinge, an die ich mich erinnern möchte. Wenn sie in ihr eigenes Pucktuch gewickelt waren, das ist so simpel und wunderschön. Nicht das Bild mit perfekt gelegten Händen und Fingerchen, weggewickelten Armen, ohne störende Fäuste vor dem Gesicht. Es gibt doch so früh so vieles was sie tun, wie sie sich bewegen und dieses ein Leben lang beibehalten. Wenn man sie in ihrer Bewegung einschränkt wird es nicht sichtbar. Aber was will man, was von den Bildern bleibt, eigentlich ist es doch die Einzigartigkeit und Persönlichkeit, die diese kleinen Menschen von Anfang an mitbringen. Eine zeitlang hab ich mir auch vorgehalten, warum ich meine eigenen Babys nicht schon so fotografieren konnte, sie so perfekt in Szene gesetzt habe und hey, was bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Eine Freundin nahm mal ihr Kind aus dem Arm der Fotografin und verließ das Studio, die Fotografin war technisch super, für meine Freundin fühlte es sich aber einfach nicht richtig an. Und wahrscheinlich wäre es mir auch so gegangen, ich bin eine Löwenmutter geworden und wollte mein Baby nicht hergeben. Als ich Studiofotos von den Babys gemacht habe, war ich innerlich so froh, wenn eine Mama mir ihr Baby in die Hände gelegt hat...weil ich ja weiß, wie ich in den ersten Wochen war. Schräg, oder?
3. Ich finde, die meisten Posen sind nicht sicher. Es gibt wirklich wenige Posen, die aus sich heraus sicher sind. Vieles sind Kompositionen. Babys im "Kartoffelsack" hochkant hingestellt sollten immer zwei Bilder sein, die später zusammengesetzt werden. Ich habe aber auch schon bei Instagram Videos gesehen, da wurden die Bilder gemacht, ohne dass das Baby überhaupt gestützt wurde. Man möchte sich gar nicht vorstellen was passiert, wenn es unruhig wird und plötzlich den Kopf nach hinten wirft... Oder die "Froggy Pose", wenn Babys Kopf auf die Hände gestützt wird...diese Sicherheitsrisiken einzugehen sind für mich kein Foto der Welt wert.
4. Keinen Stress mehr. Als ich noch Studiofotos gemacht habe, haben alle Stunden investiert, ich, die Eltern, die Geschwister und das Baby. Ich habe endlos lange das Baby beruhigt und versucht es zum Schlafen zu bringen, oder die Posen bis ins letzte perfektioniert, penibel drauf geachtet, dass es auch ständig gesichert ist und alle auf Trab gehalten. Wenn man ein neues Baby hat, ist das Leben gerade sehr, sehr anstrengend, man hat wahrscheinlich viel zu wenig Schlaf bekommen und Mama muss oft noch heilen. Gut jetzt könnte man sagen, dass es auch stressig ist, wenn man für das Fotoshooting zu Hause, alles auf Hochglanz bringen muss...muss man aber nicht, denn es findet sich immer ein Plätzchen mit gutem Licht von dem man ganz schnell störende Kleinigkeiten, die auf dem sein könnten, entfernt. Von den Räumen ist auch immer nur ein winzig kleiner Teil zu sehen und verschwindet in der Unschärfe, wenn Ihr also überlegt Eure Bilder bei Euch machen zu lassen, erliegt nicht der falschen Annahme, dass Ihr picobello aufräumen und putzen müsst. Um Himmels Willen, Ihr habt gerade ein Baby bekommen, das braucht man nicht um zu fotografieren. Einfach alles was stört in einen Wäschekorb, ab damit ins Bad und das war es.
Ich will meinen Familien zeigen, dass ihre Babys perfekt sind, so wie sie auf die Welt gekommen sind. Sie brauchen keine Rüschen, Schleifen, Hasenohren, Blumen, Bärchenmützen um niedlich und wunderschön zu sein. Sie sind genau richtig, wie sie sind, ob sie wach sind, oder schlafen, ob sie gerade unruhig sind oder entspannt durch die Gegend sehen. Ob sie auf dem Arm sind oder auf dem vertrauten Bett liegen. Ich erwarte nichts. Ich bin innerhalb von 2 Stunden wieder aus der Tür, seit ich Babys nicht mehr pose oder die Varianten mixe. Mehr Zeit für Euch, Euer Baby und Eure Ruhe.
MEIN RESÜMEE: BABYS SIND PERFEKT, WIE SIE SIND
Jetzt weißt Du, warum ich mich dafür entschieden habe, die Studiofotografie hinter mir zu lassen, einfach, weil für mich jeder Mensch, egal wie alt er ist, so richtig und perfekt ist, wie er zur Welt gekommen ist, mit all seinen Eigenschaften, die ihn so einzigartig sein lassen. Das gilt es abzulichten, nicht das perfekt dekorierte Baby.
Hab einen schönen Tag, Deine Juliane